Vortragsreihe
Heute von Gott reden
Rudolf
Lughofer
Moslems und Christen
Moslems und Christen – Vortrag 14.11.2012, 20 Uhr Bonhoefferhaus, Göppingen 1. Bemerkungen zu meiner Beschäftigung mit dem Islam.. 2 2. Zur Bedeutung des Themas. 2 3. Übersicht über den Abend. 2 B. Ein Buch als Grundlage unseres Glaubens – die Bibel, bzw. der Koran. 3 I. Die Buchreligionen – ein besonderes Gottesverständnis. 3 II. Bibel bzw. der Koran – Bücher, in denen sich Gott offenbart 3 1. Entstehung der Bibel, des Alten und des Neuen Testaments. 3 3. Gott offenbart sich in der Geschichte. 4 a. Die Welt und das Leben wird nicht als ein ewiger Kreislauf verstanden, sondern als ein Weg. 5 b. Es sind Menschen, die in einem konkreten geschichtlichen Umfeld Gottes Wort hören. 5 c. Die Überlieferungen in der Bibel – sie haben selber ihre Geschichte. Und im Koran?. 6 4. Unterschiedliche Ausgangssituation und Organisation. 6 a. Verfolgte Gemeinde – politisch aktive Gemeinde. 6 b. Lehramt und Organisation. 6 C. Menschenbild und Gottesbild in der Bibel und im Koran. 7 1. Bekenntnis zu dem einen Gott, der die Welt und die Menschen geschaffen hat 7 2. Der Mensch kann sich von Gott loszusagen. 8 4. Die endgültige Offenbarung Gottes im Koran. 9 5. Das Leben hier ist ein Weg zum ewigen Leben. 9 6. Glaube an die göttliche Verfügung und die Vorherbestimmung. 10 2. Kreuz und Auferstehung, das Zentrum im Neuen Testament 10 C. Christliches – muslimisches Leben und Ethik.. 11 1. Der Mensch soll das Gute tun. 11 Moslems und Christen – Vortrag 14.11.2012, 20 Uhr Bonhoefferhaus, Göppingen 1. Bemerkungen zu meiner Beschäftigung mit dem Islam
Pfarrkonvent in Göppingen vorbereitet – vor über 20 Jahren, Zusammenarbeit mit Muslimen in Stuttgart, Bücher, Dialog hier in Göppingen – sich in die andere Religion hineindenken, in das Leben mit dieser Religion → die eigene Religion neu und tiefer verstehen. 2. Zur Bedeutung des Themas
Ein 14jähriges pakistanisches Mädchen wurde im Oktober durch einen Kopfschuss von Taliban schwer verletzt. Warum? Sie hat sich für das Recht auf Schulbildung eingesetzt. Das hat zu einer Welle der Solidarisierung und Protestdemonstrationen gegen Taliban in Pakistan und anderen Ländern geführt. Bedroht uns der Islam? Bedroht der Islam sich selbst? Vor gut 30 Jahren, 1979, ist Ayatolla Kohmeni aus dem Pariser Exil nach Teheran zurückgekommen. Seitdem ist es zu einer Radikalisierung islamischer Länder und Gruppen gekommen: Gewalt, Intoleranz, Unterdrückung von Frauen – ist das der Islam? Zusammenprall von Kulturen? Aber es gibt auch Widerstand dagegen – von Muslimen und im Namen des Islams. Da sind die vielen Muslime bei uns und in anderen Ländern, die einfach in ihrer Hingabe zu Gott und in den das ganze Leben umfassende Riten eine innere Heimat haben. Gleich vorweg: Es gibt nicht den Islam und auch nicht eine einheitliche Auslegung des Korans. Vom 8.-16. Jahrhundert war der Islam im Süden von Spanien beheimatet. Wer in Granada den Palast der muslimischen Herrscher, die Alhambra, oder in Cordoba die Moschee besucht, der spürt noch heute etwas von dem weltoffenen Islam damals, der die antike Kultur nach Europa gebracht hat. Und heute? Es gibt heute laut einer Studie aus dem Jahr 2009 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt, 23% der Weltbevölkerung, 2,3Milliarden Christen (32% - beide mit wachsender Tendenz, Muslime allerdings deutlich schneller), in Deutschland leben jetzt etwa 3½,-4 Millionen Muslime. Der Islam ist laut dieser Studie in vielen Ländern viel moderater und integrierter als es dem Bild von einem militanten und intoleranten Glauben entspricht. Und das stimmt gewiss auch für unser Land und unsere Stadt. Dabei leben Muslime ihren Glauben in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich; er ist auch sehr von der jeweiligen Kultur durchdrungen1.Und auch bei uns gibt es sehr unterschiedliche muslimische Verbände. Und doch führen sich die Muslime in einer weltweiten Gemeinschaft, der Umma, verbunden. Es sind fünf Säulen die sie verbinden und dem Leben eines jeden Einzelnen aber auch der Gemeinschaft einen Rahmen: Das Bekenntnis zu dem einen Gott, die fünf Gebete am Tag, das Armenopfer, das Fasten im Ramaden und die Pilgerreise nach Mekka. Die geben dem Leben einen Rahmen. Dabei ist der Koran die gemeinsame Grundlage für alle Muslime. Wir leben in einem Land, in einer Stadt mit Muslimen zusammen. Was verbindet und was trennt Christen und Muslime? Darüber miteinander heute sprechen. 3. Übersicht über den Abend
1. Ein Buch als Grundlage unseres Glaubens – die Bibel, bzw. der Koran / 2. Menschenbild und Gottesbild in der Bibel und im Koran – da geht es um den Schöpfungsgedanken und um Jesus Christus. Ist er der Erlöser oder nur einer der Propheten? / 3. Christliches – muslimisches Leben und Ethik B. Ein Buch als Grundlage unseres Glaubens – die Bibel, bzw. der Koran Bibel und Koran hinlegen I. Die Buchreligionen – ein besonderes Gottesverständnis
Judentum, Christentum und Islam sind Buchreligionen. Das scheint uns selbstverständlich zu sein, ist es aber nicht. Es sagt etwas darüber, wie wir Gott begegnen. Es gibt ja auch ganz andere Weisen, von Gott zu reden: Man glaubt an Schicksalsgötter. Man blickt auf ein dramatisches Ringen in der Götterwelt, das den Kreislauf der Natur spiegelt. Oder: Gott durchwaltet die Natur; sie ist heilig. Dann der eher philosophische Gottesbegriff im Buddhismus … Wenn Juden, Christen und Muslime von einem Buch ausgehen, dann sagen sie damit etwas über Gott, nämlich: Gott spricht die Menschen an. Er spricht sie an, indem er ihnen Gebote gibt, Verheißungen, einen Bund mit ihnen schließt, ihnen vergibt, sie tröstet. Und sie sagen etwas über den Menschen: Er soll sich an diese1. Worten orientieren, mit seinem Leben darauf antworten. Wenn uns Gottes Wort in einem Buch begegnet, dann haben wir etwas in den Händen. Wir können und müssen wir uns immer wieder auf die Worte der Bibel bzw. die Muslime auf den Koran zurückbesinnen und daraus Kraft schöpfen. Aber damit stehen wir auch vor einem Problem. Die Bibel und der Koran wurden in einer ganz anderen Zeit geschrieben. Wir können wir da heute Gottes Wort für uns daraus hören und richtig verstehen? Auf diese Frage antworten Christen und Muslime unterschiedlich. Um das zu erläutern, möchte ich mir die Bücher jetzt genauer ansehen. II. Bibel bzw. der Koran – Bücher, in denen sich Gott offenbart 1. Entstehung der Bibel, des Alten und des Neuen Testaments
Das Alte Testament erzählt eine zeitlich aufeinanderfolgende Geschichte Gottes mit den Menschen bzw. der Menschen mit Gott: Die Urgeschichte (Schöpfung, Vertreibung aus dem Paradies, Kain und Abel, Turmbau zu Babel, Sintflut), die Vätergeschichte (Abraham, Isaak, Jakob, Josef und seine Brüder), der Zug durch die Wüste mit dem Empfang der Gebote und die Landnahme. Es folgen die Geschichte der Königszeit bis zum Exil, parallel dazu die Propheten aus verschiedenen Jahrhunderten, auch in der Zeit des Exils und danach. Schließlich: Die Weisheitssprüche, Psalmen, das Hiobbuch. Dahinter stehen viele einzelne Geschichten, Bekenntnisse, Erfahrungen. Die wurden von Geschlecht zu Geschlecht in immer wieder veränderten Situationen weiter erzählt. Sie wurden für die jeweilige Zeit neu gehört und verstanden. Im Exil und in einem auch danach weitgehend in der Diaspora lebenden Judentum kamen dann viele einzelne Gebote dazu, die zu einem Kennzeichen des jüdischen Lebens wurden. Vorschriften der Speisezubereitung, der Kleidung. Das Sabbatgebot rückte in den Mittelpunkt. Das gab den Juden ihre Identität. Ab etwa 500 v. Chr., als nach dem Exil, wurden die Bücher Mose und die Geschichtsbücher des Volkes überarbeitet. Dabei hat man allerdings bewusst alte und neue Texte nebeneinander stehen lassen. Aus den vielen Geschichten hat man eine große Geschichte mit einer deutlichen Ausrichtung zusammengestellt: Es ist die Geschichte der Verheißung an das Volk Israel, ihrer Erfüllung unter David und Salomo, von dem Abfall von Gott in der Königszeit. Das Exil wurde als Strafe für diese Schuld gesehen. Aber es bliebe die weitergehende Verheißungen auf einen neuen Herrscher, einen Messias, und eine ganz neue Welt. Dieser Prozess fand erst im 2. Jahrhundert v. Chr. seinen Abschluss. Etwa 100 v. Chr. wurde festgelegt, was zum Tanach[1], dem heiligen Buch der Juden, gehört, das weitgehend unserem Alten Testament entspricht.[2] Ich habe so ausführlich davon gesprochen, um deutlich zu machen: Das Alte Testament hat eine lange Geschichte; es ist nicht fertig vom Himmel gefallen. Es erzählt von Erfahrungen mit Gott, die immer wieder neu aktualisiert werden: Gott hat uns geholfen. Deshalb vertrauen wir darauf: er wird uns wieder helfen. Wir waren Sklaven in Ägypten. Denkt daran, wenn ihr heute Fremden begegnet. Im Neuen Testament geht dann es um Jesus von Nazareth, sein wahrscheinlich dreijähriges öffentliches Auftreten, seine Worte und Taten. Es geht um seinen gewaltsamen Tod und das Erleben, dass damit nicht alles aus ist, die Auferstehungsbotschaft. Davon erzählen die vier Evangelien, die vierzig bis siebzig Jahre später die Geschichten davon gesammelt und mit der Ausrichtung auf das Kreuz und die Auferstehung zusammengestellt haben. Wir erleben in den Briefen von Paulus und anderen und in der Apostelgeschichte mit, wie die erste Christenheit sich vom Judentum getrennt hat, wie sie Jesus als den Messias gesehen hat und mit ihm das Reich Gottes schon ganz nahe war. 2. Entstehung des Korans
Wenn man als Christ, der die Bibel gewohnt ist, zum ersten Mal im Koran liest, scheint alles sehr wirr zu sein. Da werden Namen und Geschichten erwähnt, die wir aus der christlichen Bibel kennen, aber doch wieder anders. Da spüren wir, wie sich der Koran mit Gegnern auseinandersetzt. Immer wieder kommen diese sehr lebendig selbst zu Wort. Dazwischen stehen ethische Anweisungen, Verhaltensmaßnahmen für das private und öffentliche Leben. Immer wieder wird auf das Endgericht, auf ein Leben in Freuden oder ewiger Pein hingewiesen. Vielleicht finden wir einen Zugang zum Koran, wenn wir uns ihn als eine Sammlung von Predigten vorstellen, die in unterschiedlichen Situationen gesprochen wurden. Der Prediger musste zunächst in Mekka mühsam seine Stammesgenossen gewinnen, dann ist er daraus geflohen und wurde in Medina zu der entscheidenden politischen Figur. Er musste dort widerstreitende Gruppen, Araber und Juden, befrieden, die Korruption bekämpfen. Schließlich musste er sich mit den alten Feinden aus Mekka auseinandersetzen. In all dem brauchten er und seine Gemeinde Bestätigung und Weisung. Der Koran entspricht so einer Predigtsammlung, in der der Prediger immer wieder auf den Hörern bekannte Geschichten hinweist. Dabei geht es um die aktuelle Situation. So finden sich im Koran Geschichten über Adam, Noah, Abraham und Jesus, ähnlich aber doch unterschieden[3] vom Alten Testament und Neuen Testament, außerdem weitere im Judentum und Christentum damaliger Zeiten kursierende Geschichten aus apokryphen Büchern und Evangelien. Der Koran gibt dabei oft nur kurze Hinweise auf Geschichten. Offensichtlich waren diese den Menschen in dem arabischen Raum damals bekannt. Die Geschichten und die Bedeutung der Figuren sind so in den Koran eingebaut und dargestellt, dass sie Zeugen für die islamischen Grundgedanken sind und dass sich der Prophet in ihnen wieder erkennen konnte. Der Koran sollte die aus seiner Sicht nicht vollständige oder auch verfälschte Darstellung der Bibel korrigieren. In den von ihm aufgenommenen Stellen, wird die von dem Koran geforderte Hingabe an Gott unterstrichen. 3. Gott offenbart sich in der Geschichte
Judentum, Christentum und Islam ist also gemeinsam: Gott hat sich in der Geschichte offenbart. Dabei beziehen sich alle drei Religionen auf ähnliche Traditionen. Das verbindet sie. Und doch werden hier auch die Unterschiede deutlich. Schauen wir genauer hin: a. Die Welt und das Leben wird nicht als ein ewiger Kreislauf verstanden, sondern als ein Weg. Auf diesem Weg werden Erfahrungen weitergegeben, die immer wieder neu das Leben bestimmen sollen und es nach vorne öffnen wollen – auf ein ihnen verheißenes Land (so viele Juden heute) – auf ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit und auf eine Welt ohne Leiden und Zerstörung (so engagierte Christen und Muslime und auch Juden) – auf ein Jüngstes Gericht und ein ewiges Leben in Freuden oder in Verdammnis (das findet sich zwar auch im Neuen Testament; die bewegende Kraft ist aber die Gnade – im Koran wird dagegen das Leben im Jenseits sehr farbig ausgemalt.) b. Es sind Menschen, die in einem konkreten geschichtlichen Umfeld Gottes Wort hören Abraham, Mose, die Propheten, sie machen in ihrer Situation mit Gott Erfahrungen – in den Steinbrüchen von Ägypten und auf dem Sinai, auf dem Weg zu einem Volk und zu einem guten Land, in der Ungerechtigkeit und dem Götzendienst ihrer Zeit. Sie erfahren in ihrer Lage, was es heißt, diesem Wort zu vertrauen und sich daran zu orientieren. Im Alten Testament stehen viele unterschiedliche Texte nebeneinander. Was gilt? Man muss bei der Auslegung einen Ansatz finden, eine verbindenden Geist. Christen sehen diesen Ansatz in dem Evangelium von Jesus Christus. Für Muslime sind die Offenbarungen an Mohammed die endgültige Offenbarung. Auch in den Büchern der Juden und der Christen findet sich nach ihrer Meinung Gottes Wort; aber es wurde verfälscht. Der Koran – und zwar in seiner arabischen Version – ist nun das letztgültige Wort Gottes an die Menschen – und zwar zu jeder Zeit. Das darf man nicht hinterfragen; daran darf nicht gerüttelt werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit Widersprüchen im Koran, mit der dahinter liegenden Geschichte und mit der Entstehung des Korans selbst ist da schwierig. Trotzdem, auch muslimische Ausleger wissen: Man darf nicht einfach einzelne Verse aus dem Koran herausgreifen, ohne den Zusammenhang zu verstehen. Muslime sagen, dass es im Koran um Frieden geht, um ein gerechtes und gutes Zusammenleben der Menschen – sie sehen in dem Doppelgebot „Du sollst Gott über alle Dinge lieben und deinen Nächsten wie dich selbst“ das gemeinsame Zentrum mit Juden und Christen.[4] Damit wird klar, dass sie die Suren im Koran von seinen Kerngedanken aus verstehen wollen. Muslimische Ausleger achten darauf, unter welchen Umständen Mohammed seine Offenbarungen erhalten hat. Oft hat man das den Suren auch zugeordnet: „Offenbart in Mekka“, „Offenbart in Medina“. Man versteht die Suren zunächst als Gottes Wort an Mohammed, der in einer bestimmten Situation von Gott eine Anweisung bekommt, bestärkt wird – als nicht ernst genommener Prophet, der gegen die Vielgötterei der arabischen Stämme in Mekka anredet – als Verantwortlicher Führer in Mekka, der Streit schlichten muss – als Feldherr. Aber zugleich sind die konkreten Worte Gottes an Mohammed auch Anweisungen und Verheißungen für die Muslime jetzt. Das Wort Gottes soll nun das ganze Leben der einzelnen Menschen und der Gemeinschaft regeln. Da der Koran das nicht kann, nehmen die Sunniten dafür ergänzend die Überlieferung von dem Propheten, die Sunna, zur Hilfe. Das ist eine Sammlung von Hadithen, Aussprüche und Berichte aus dem Leben Mohammeds. Aber auch diese Aussagen können verschieden gewichtet werden. Das wird etwa an der Stellung zur Verschleierung der Frauen deutlich. Es kommt dabei zu recht unterschiedlicher Auslegungen. Dagegen ist es bei den Schiiten der Imam, der den Koran verbindlich auslegt.[5] c. Die Überlieferungen in der Bibel – sie haben selber ihre Geschichte. Und im Koran? Ich hatte schon gesagt: Die alten Erzählungen von Abraham, Mose, David wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Und jede Generation musste sie für sich in seiner Zeit neu verstehen und eben auch neu erzählen. Und ich hatte auch schon gesagt, dass dann dieser Prozess im 2. Jahrhundert vor Christus abgeschlossen wurde. Schon vorher waren die vielen Erzählstränge unter einer deutlichen theologischen Absicht zu einer Gesamterzählung zusammengeknüpft. Es lässt sich oft gar nicht sagen, was ursprünglich ist. Und was heißt auch „ursprünglich“? Ist nicht das genauso Gottes Wort, wenn Menschen viele Jahre später in der alten-neuen Geschichte von Gott angesprochen wurden? Dass Überlieferungen eine Geschichte durchmachen, zeigt gerade, wie sie immer wieder lebendig sind. Muslime könnten sagen, dass eben die Offenbarungen an Mohammed eine letzte Entwicklung in einem langen Prozess sind. Aber sie werden das nicht tun, denn für sie sind die Suren des Korans direkt von Gott durch den Erzengel Gabriel Mohammed übermittelt worden. Und viele gehen davon aus, dass es bei Gott vor allen Zeiten einen Ur-Koran gegeben hat. 4. Unterschiedliche Ausgangssituation und Organisation
a. Verfolgte Gemeinde – politisch aktive Gemeinde
Ausgangspunkt der christlichen Gemeinden war die Erfahrung des Kreuzes und des Aufbruchs in einem neuen Geist: Jesus lebt; er ist auferstanden; Gott ist Liebe und dieser Geist der Liebe bestimmt uns. Sie wurden zunächst von den Römern als jüdische Sekte wahrgenommen; dadurch hatten sie einen gewissen Spielraum im römischen Reich. Als aber deutlich wurde, dass das Christentum sich als eine eigene Religion etablierte, kam es zu den großen Verfolgungen. Erst im 4. Jahrhundert nach Christus wurde das Christentum anerkannt und dann auch Staatsreligion. Mohammed selber gelang es, nicht nur in Medina Fuß zu fassen, sondern dann auch Mekka zu der zentralen heiligen Stadt zu machen. Er schaffte es, die sich befehdenden arabischen Klans und Stämme zu befrieden und eine verbindende Identität als Muslime zu geben. Jeder – ob Sklave oder Klanführer – ist vor Gott gleich, unterliegt dem gleichen Recht. Er war als Prophet auch Sozialpolitiker und erfolgreicher Heerführer. Mussten sich Christen in der Verfolgungssituation behaupten, war der Islam außer in der ersten Phase in Mekka gleich in politische Verantwortung eingebunden. b. Lehramt und Organisation
Christen haben seit dem Apostelkonzil der Urkirche immer wieder auf Konzilien darum gerungen, was rechter Glaube ist und was ausgeschieden werden muss. Die Entscheidungen mögen manchmal problematisch gewesen sein, sie haben aber zu gemeinsamen Bekenntnissen geführt. Es kam dann allerdings schon zu großen Spaltungen, vor allem um 1054 zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche und – ausgelöst durch den Thesenanschlag Luthers um 1517 – die Abspaltung der evangelischen Kirche, die sich dann noch weiter aufgefächert hat. Wenige Jahrzehnte später wurde auch die anglikanische Kirche selbständig, um 1870 kam es zur Bildung der altkatholischen Kirche. Mit dem Papst und den Patriarchen in den orthodoxen Kirchen gab es zentrale Lehrämter, in den evangelischen Kirchen traten an deren Stelle der Bezug auf die Bibel und auf die Bekenntnisschriften[6] Im Islam gibt es dagegen als verbindendes Glied letztlich nur den Koran und Berichte und Worte aus dem Leben Mohammeds. Schon sehr bald haben sich die Schiiten (ca. 10% der Muslime heute) von den Sunniten (ca. 90 %) abgespaltet. Es gibt sufitische Richtungen, die einen mystisch verstandenen Islam leben. Die Aleviten mit einer sehr offenen Auslegung des Korans werden von den andern Gruppen nicht mehr als Muslime anerkannt. In Göppingen gibt es 8 verschieden orientierte muslimische Gemeinden (DITIB, Davidstraße 26 mit neuer Moschee, ATIB,mittlere Karlstraße 83 / Alevitische Gemeinde, Heinrich-Landerer-Straße 72 / Gülen-Bewegung (Süddialog) Grabenstr. 3 / Graue Wölfe, Jahnstr. 138 / Verband Islamischer Kulturzentren VIKZ (Milli Görüs) Jahnstr. 67, Arabische Kulturzentrum In Deutschland haben wir verschiedene Zusammenschlüsse von Muslimen aber kein einheitliches Gegenüber für den Staat. Das macht es auch schwierig, einen islamischen Religionsunterricht einzuführen. Es gibt bei den militanten Salafisten Bestrebungen, wieder ein autokratisches Kalifat einzurichten, in dem eine verbindliche Auslegung des Korans und eine konsequente Durchführung islamischer Regeln durchgesetzt werden. Aber typisch ist eine große Vielfalt. Es gibt im Islam ja auch keine Priester oder Bischöfe, die ein besonderes Amt bekleiden. C. Menschenbild und Gottesbild in der Bibel und im Koran 1. Bekenntnis zu dem einen Gott, der die Welt und die Menschen geschaffen hat
Was bedeutet der Schöpfungsgedanke eigentlich? Der Mensch hat eine besondere Fähigkeit; er kann seine Welt von außen betrachten und kann sie gestalten. Auf der anderen Seite ist er selbst Teil der Welt; er ist von ihr abhängig und ihr ausgeliefert. Damitsteht er vor ganz grundlegenden Fragen: Wie sollen wir der Welt begegnen, zu ihr in Beziehung treten? Und wie sollen wir uns selbst und dem anderen Menschen begegnen? Darauf geben die Weltanschauungen und die Religionen eine Antwort – unterschiedliche Antworten. Juden, Christen und Muslime bekennen sich zu dem einen Gott, der die Welt und die Menschen geschaffen hat. Das wirft ein ganz bestimmtes Licht auf die Welt und auf unser Leben. Wir haben damit ein transzendentes Gegenüber, einen Bezugspunkt außerhalb von uns selbst. Das gibt uns – so sehen das Christen und Muslime – Freiheit. Wir müssen uns nicht an andere Götzen, Mächte, Dinge verlieren und auch nicht daran, um uns selbst zu kreisen. Wir können die Schöpfung als eine Gabe dankbar annehmen: Auch als naturwissenschaftlich denkende Menschen können wir eine ganz ursprüngliche Verbundenheit zur Natur haben. Wir sind ein Teil von ihr. Wir freuen uns an den Blumen, der Sonne, sind eingebunden in den Rhythmus von Tag und Nacht, Sommer und Winter. Dieses Staunen, das Gefühl einer tiefen Abhängigkeit und einer Dankbarkeit – das ist der, zu mindestens ein Anfang aller Religion. Darum geht es, wenn wir die Welt als Schöpfung und uns selbst als Geschöpf ansehen. Das gibt uns das Vertrauen, dass wir gewollt sind und unser Leben einen Sinn hat. Diese tiefe Verbundenheit mit Gott und mit der Welt, das ist eine Wurzel, die uns auch in schwierigen Zeiten Kraft gibt. Gleichzeitig erleben wir, dass wir als Menschen herausgehoben sind, die Natur gestalten, sie beherrschen müssen und auch zerstören können. Wir können das als Auftrag hören, die Erde – wie es in der biblischen Schöpfungsgeschichte steht – „zu bebauen und zu bewahren“ oder – wie es der Koran ausdrückt – als „Kalifen, Stellvertreter Gottes“ Verantwortung für die Welt zu übernehmen. Dieser so wichtige Schöpfungsgedanke verbindet uns Christen mit Juden und Muslimen. Die Dankbarkeit und, dass wir Verantwortung gegenüber der Schöpfung übernehmen, nennt der Koran „Hingabe an den einen Gott – islam“. Dabei ist Allah das arabische Wort für diesen einen Gott, das auch von arabischen Juden oder Christen für Gott benutzt wird. Insofern können wir verstehen, wenn Muslime sagen: Der Islam ist noch jenseits aller Ausformungen von Religionen die ursprüngliche Religion, die jeder Mensch in sich trägt. 2. Der Mensch kann sich von Gott loszusagen
Der Mensch hat freilich auch von vornherein die Möglichkeit, sich von diesem Gott loszusagen. Er muss nicht dankbar für sein Leben sein. Er muss das Leben und die Erde nicht als Gabe Gottes sehen, für die er Verantwortung trägt. Er kann die Welt und auch die Menschen als Dinge sehen, mit denen er beliebig umgehen kann. Er kann sich an andere Götter verlieren. Diese Götter, so der Koran, verführen ihn zur Gier, lassen ihn um sich selbst kreisen. Das zerstört unser Leben und unsere Gemeinschaft. In der Bibel wird das durch die Geschichte vom Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies ausgedrückt. Ich lese einmal vor, wie diese Geschichte im Koran erzählt wird: „Er (Allah/Gott) ist es, der euch alles, was auf der Erde ist, geschaffen und sich hierauf zum Himmel aufgerichtet und ihn zu sieben Himmeln geformt hat. Er weiß über alles Bescheid. Und (damals) als dein Herr zu den Engeln sagte: Ich werde auf der Erde einen Nachfolger (khaliefa) einsetzen! Sie sagten: Willst du auf ihr jemand (vom Geschlecht der Menschen) einsetzen, der auf ihr Unheil anrichtet und Blut vergießt, wo wir (Engel) dir lobsingen und deine Heiligkeit preisen? Er sagte: Ich weiß (vieles), was ihr nicht wisst.. Und er lehrte Adam alle Namen. Hierauf legte er sie den Engeln vor und sagte: Tut mir ihre Namen kund, wenn (anders) ihr die Wahrheit sagt! Sie sagten: Gepriesen seist du! Wir haben kein Wissen außer dem, was du uns (vorher) vermittelt hast. Du bist der, der Bescheid weiß und Weisheit besitzt. Er sagte: Adam! Nenne ihnen ihre Namen! Als er sie ihnen kundgetan hatte, sagte Allah: Habe ich euch nicht gesagt, dass ich die Geheimnisse von Himmel und Erde kenne? Ich weiß (gleichermaßen), was ihr kundgebt, und was ihr (in euch) verborgen haltet. Und (damals) als wir zu den Engeln sagten: Werft euch vor Adam nieder! Da warfen sie sich (alle) nieder, außer lblies. Der weigerte sich und war hochmütig. Er gehörte nämlich zu den Ungläubigen. Und wir sagten: Adam! Verweile du und deine Gattin im Paradies, und esst uneingeschränkt von seinen Früchten, wo ihr wollt! Aber naht euch nicht diesem Baum, sonst gehört ihr zu den Frevlern! Da veranlasste sie der Satan, einen Fehltritt zu tun, wodurch sie des Paradieses verlustig gingen, und brachte sie so aus dem (paradiesischen) Zustand heraus, in dem sie sich befunden hatten. Und wir sagten: Geht (vom Paradies) hinunter (auf die Erde)! Ihr seid (künftig) einander feind. Und ihr sollt auf der Erde (euren) Aufenthalt haben, und Nutznießung auf eine (beschränkte) Zeit.“ Sure 2, 29-36 Gott verbannt daraufhin Iblis, den Satan, aber er darf die Menschen weiter versuchen. Werden sie sich als von Gott geschaffene Wesen Geist sehen oder als bloße Materie? Muslime glauben: Der Mensch kann von sich aus das Richtige tun, wenn er sich an Gott hält. Es gibt keine Erbsünde. Damit hat der Koran ein optimistisches Bild vom Menschen – anders als die Bibel. Das Neue Testament sagt dagegen: Der Mensch ist erst dann fähig, wirklich zu lieben, wenn er von der Gnade und Liebe Gottes berührt wird. Wenn er von sich aus versucht, gut zu sein, wird er doch immer nur um sich selbst kreisen. Freilich, auch der Koran weiß: Der Mensch weicht oft auch von dem geraden Pfad, der dem Leben dient, ab und verliert damit die Geborgenheit und Liebe. 3. Gesandte Gottes
Bibel und Koran stimmen darin überein: Weil der Mensch immer wieder die Verbindung zu Gott verliert, gibt es immer wieder – der Koran sagt sogar: in allen Völkern – Menschen, die auf den rechten Weg hinweisen. Das sind die Propheten. Gott will, dass der Mensch wieder auf den rechten Pfad zur Dankbarkeit, Verantwortung, Hingabe findet. Der Koran betont: Aber wenn einer vom rechten Weg abgewichen ist und zurückkehrt und wieder das Gute tut, dann darf er gewiss auf die Gnade Gottes bauen. Für Christen heißt es dagegen umgekehrt: Wenn wir die uns geschenkte Gnade Gottes annehmen, dann können wir wieder umkehren. Der Koran nennt als besondere Gesandte Gottes Abraham, der Stammvater nicht nur der Juden und Christen, sondern auch der Muslime, und dann Mose, David und Jesus. Die haben den Menschen Bücher gegeben, die Tora, die Psalmen, das Neue Testament. Freilich – nach der Ansicht der Muslime, ich sagte es schon – wurden diese Offenbarungen verfälscht, indem etwa die Juden eine Vielzahl von Geboten und Regeln eingefügt und die Christen Jesus zu einem Sohn Gottes erhoben haben? Gott ist doch unteilbar, von ihm darf nicht ein Sohn oder ein Heiliger Geist abgespaltet werden. Das ist doch wieder Vielgötterei, die Mohammed in Mekka leidenschaftlich bekämpft hat. 4. Die endgültige Offenbarung Gottes im Koran[7]
Mohammed ist nun aus der Sicht der Muslime der letzte Prophet. Er hat nun in dem Zeitraum von 610-632 – so die Sicht der Muslime – die endgültigen Offenbarungen Gottes erhalten. Die sagen: Das Leben des einzelnen Menschen, der Gemeinschaft in der Familie und in einer Stadt, unter den sich gegenseitig bekriegenden arabischen Stämmen und darüber hinaus auf der ganzen Welt kann nur gelingen, wenn es in der Verantwortung vor dem einen Gott, in Hingabe an Gott geschieht. Im Koran finden sich Offenbarungen für das alltägliche und politische Leben. Es geht dabei um das Wohl der Menschen – freilich kann das eben nur gelingen, wenn man zu der Gemeinschaft gehört, die sich zu Gott bekennt, wie er sich in den Offenbarungen an Mohammed gezeigt hat. Aber auch die Menschen, die sich nicht zu dem Islam bekennen, werden am Schluss nach ihren Taten beurteilt werden. Ich fasse noch einmal zusammen: Der Koran wendet sich damit an alle Menschen. Er ruft sie auf: Lasst uns diesem Gott dienen, er soll unser Mittelpunkt sein. Unsere Stämme und Völker berauben und bekriegen sich gegenseitig. Die Hingabe an den einen Gott, der alles geschaffen hat, kann uns zusammenschließen. Wir sollen mit diesem Bekenntnis zu dem einen Gott leben und das durch regelmäßige Riten und Gebete lebendig halten. Wir müssen uns immer wieder aus den Mächten, die uns bestimmen wollen, lösen, aus Habgier, Egoismus, Gleichgültigkeit und allen anderen Abhängigkeiten. Darum sollen Muslime einmal im Jahr eine Fastenzeit einhalten, damit sie wieder frei werden für diesen Gott. Hinter dem Fasten steht eine Konzentration auf das Wesentliche, nicht Lebensverneinung sondern -bejahung; am Abend dürfen sie dann auch miteinander in den Familien essen und trinken. 5. Das Leben hier ist ein Weg zum ewigen Leben[8]
Wesentlich ist für den Koran nun aber der Blick auf das Ende des irdischen Weges und das Leben in einem Jenseits. Das ist das Ziel. Dann werden die Guten belohnt und die Bösen bestraft. Das wird immer wieder plastisch ausgemalt. Das ist neben der Dankbarkeit für die Gabe der Schöpfung auch die Motivation, in seinem Leben das Rechte zu tun. Ob einer von Gott angenommen wird oder nicht – das hängt von seinen Taten ab. Aber das letzte Urteil bleibt letztlich Gottes Entscheidung. Es ist nicht Sache des Menschen über ein Leben zu urteilen. Wir hören von Selbstmordattentätern, die in ihrem vermeintlichen Kampf für Gott, unschuldige Menschen (Muslime und Nichtmuslime) und sich selbst in den Tod reißen – angeblich in der Hoffnung auf ein Leben in sexuellem Genuss im Jenseits, vielleicht aber auch aus einem Eifer, Hass, aus Verblendung. Das wird übrigens von den allermeisten Muslimen als eine schlimme Verkehrung angesehen. Dagegen Jesus: Er hat das Reich Gottes verkündet. Das Reich Gottes ist schon mitten unter uns da ist, wo Kranke geheilt und Sünden vergeben werden. Aber es geht auch über unsere Wirklichkeit hinaus. Im Blick auf das Reich Gottes hat Jesus seine Welt mit allem Leid und aller Schuld wahrgenommen – aber sie doch immer wieder im Licht Gottes gesehen. Weil er die Menschen als von Gott geliebt gesehen hat, hat er geheilt und vergeben. Jesus hat dabei nicht mit der Belohnung im Himmel spekuliert. Die Frommen seiner Zeit, die Pharisäer fragen ihn: „Was muss ich tun, um in den Himmel zu kommen?“ Im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter dreht Jesus diese Frage um und fragt stattdessen: “Was braucht der blutende Mensch am Straßenrand.“ 6. Glaube an die göttliche Verfügung und die Vorherbestimmung
In einer Hadith-Überlieferung (Sammlungen von Worten, Taten und Verhalten von Mohammeds) heißt es, dass Gott 50.000 Jahre bevor er die Himmel und die Erde erschaffen hat, alles, was passieren wird – das Gute wie das Schlechte – genau festgelegt habe. Im Koran gibt es Aussagen, die das unterstützen. Anderseits wird überall im Koran immer wieder gesagt, dass alle die Möglichkeit haben, die Botschaft Gottes zu hören und darauf zu reagieren, gute Werke zu tun, Gott in richtiger Weise zu verehren und ein Muslim zu werden. Die Menschen sind dafür verantwortlich, ob sie Unheil über sich selbst bringen. Die Zeit, wann ein Mensch stirbt, ist allerdings festgelegt und kann vom Menschen nicht verändert werden. Dass der Islam in fatalistischer Weise das Leben als festgelegt ansieht, beruht auf Aussagen in einer späteren Entwicklung muslimischer Theologie. Man muss die Vorherbestimmung durch Gott und die eigene Verantwortung des Menschen als komplementär Aussagen in ihrer Spannung zueinander stehen lassen. 1. Jesus im Koran
Im Koran ist Jesus einer der großen Propheten, denn von ihm stammt ein Buch. Aber er ist nicht Gottes Sohn. Und er wurde nicht gekreuzigt, sondern Gott hat ihn aus dem Leben zu sich genommen[9]. Man darf doch Gott nicht herabwürdigen, indem man sagt, so wie die Christen das tun, dass uns in einem schändlich Gekreuzigten Gott begegnet. Aber Jesus und seine Mutter Maria werden von Muslimen hoch verehrt. Ursprünglich haben die Muslime auch ihre Gebete in Richtung auf Jerusalem verrichtet. 2. Kreuz und Auferstehung, das Zentrum im Neuen Testament
Warum sind das Kreuz und die Botschaft von der Auferstehung der Ausgangspunkt für das Neue Testament? Aus den Evangelien wissen wir: Jesus hat sich im Namen der Liebe über das jüdische Gesetz- und Regelwerk hinweggesetzt. Das konnten die leitenden Leute nicht dulden, denn mit der Befolgung der Gebote war für sie auch die Identität des Judentums verbunden. Und der römische Statthalter wollte keinen, mit dem sich messianische Hoffnungen verbanden – welcher Art auch immer. Aus historischer Sicht besteht kein Grund, zu bezweifeln, dass Jesus am Kreuz hingerichtet wurde. Mit dem am Kreuz elend hingerichteten Jesus zerbrach für die Anhänger der Glaube an einen Gott, der von oben eingreift und die zerstörerischen, grausamen Mächte beseitigt. Jesus war eben einer von den vielen Opfern, die der Lieblosigkeit und dem Tod ausgeliefert waren. Und gerade das war wichtig. Im Blick darauf haben die Jüngerinnen und Jünger Jesu die Botschaft verkündet: „Jesus ist auferstanden; er lebt!“ Das hat nicht bedeutet nicht, dass die Erfahrung der Gewalt und der Ohnmacht und damit die Nähe zu den vielen Opfern weggewischt wurden. Die Botschaft von der Auferstehung setzt vielmehr dagegen eine neue, wunderbare Erfahrung: Die Liebe Gottes erstreckt sich bis in die dunkelste Ecke. Sie ist nicht gescheitert. Sie gibt uns in aller Ohnmacht und Schuld Raum zum Leben. Die Jüngerinnen und Jünger haben Gott neu erfahren als eine Liebe, die die Resignation, Enttäuschung, das Ausgeliefertsein und die Schuld durchbricht. Sie konnten in diesem Geist wieder neu aufbrechen. Sie sind in dem Geist Gottes, dem Geist der Liebe, dem Heiligen Geist mit der Hoffnung aufgebrochen, dass diese Liebe die Ohnmacht aufsprengt und auch die Macht des Todes bricht. Muslime werfen Christen vor, an mehrere Götter zu glauben. Dagegen sagen Christen: Wir glauben nur an einen Gott. Jesus ist kein zweiter Gott und der Heilige Geist kein dritter Gott. Wenn von der Dreieinigkeit die Rede ist, dann ist das eine Kurzformel. Es geht es um den einen Gott, der zu den Menschen kommt und bei und in ihnen ist. C. Christliches – muslimisches Leben und Ethik 1. Der Mensch soll das Gute tun
Der Islam geht davon aus, dass der Mensch um den rechten Weg weiß und ihn auch gehen kann – aus Hingabe und Dankbarkeit gegenüber Gott und aus Angst und Hoffnung im Blick auf das Jüngste Gericht. Paulus geht von der Erfahrung aus, dass der Versuch, gerecht zu leben, gerade zur Selbstgerechtigkeit und Unfähigkeit zu lieben führt. Es ist die in Jesus Christus geschenkte Gnade, die den Menschen zu echter Liebe befreit. Gott wird als sich hingebende Liebe erfahren. 2. Liebesgebot
Gott lieben heißt, sich von dieser Bewegung der Liebe ansprechen und mitnehmen lassen. Das macht es möglich, ja erfordert, dass wir auch den Nächsten lieben. Es geht in der Nächstenliebe nicht darum, gute Werke zu tun, sondern von dem anderen Menschen aus zu denken, ihn in unseren Lebensbereich einzuschließen. Darum gibt es auch keine Abgrenzung, für wen wir da sein sollen. Nächstenliebe kann man nicht „erfüllen“; Liebe kann dem anderen und sich selbst etwas schuldig bleiben. Noch einmal: Das Gebot, Gott und den Nächsten zu lieben, ist das zentrale Gebot im Judentum, Christentum und im Islam. Sicher gibt es auch im Judentum und im Islam eine Nächstenliebe, die einfach den anderen Menschen sieht, egal ob er Jude, Christ oder Muslim ist. Aber wenn man sich selbst – wie die Juden – als das auserwählte Volk sieht, geht es zunächst um das Wohl des eigenen Volkes. Und wenn man davon ausgeht, dass Frieden und Gerechtigkeit zwischen den Menschen erst in einer islamischen Gemeinschaft wirklich möglich ist, dann geht es zuerst um die Umma, die Gemeinschaft, in der alle Muslime verbunden sind. Jesus Christus hat diese Grenzen durchbrochen. Aber ehe wir nun mit dem Finger auf andere zeigen, müssen wir uns fragen, ob nicht auch bei uns das eigene Wohl und die eigene Gemeinschaft im Vordergrund stehen. 3. politisches Engagement
Der Papst hat vor ein paar Jahren dem Sinn nach Folgendes gesagt: Es ist gut, dass die Kirche heute nicht mehr so viel Macht hat. Da kann sie eher ihrer Aufgabe gerecht werden. Dabei darf dass nicht bedeuten, dass Glaube auf einen privaten Bereich eingegrenzt wird und sich darin erschöpft. Christen müssen für Gerechtigkeit, für Friede eintreten, die Stimme für die ergreifen, die keine Stimme haben. Sie müssen sich in die Gesellschaft einbringen, in das Ringen um ethische Entscheidungen. Sie können und sollen das als eine engagierte Stimme tun im Gespräch in einem offenen Diskurs mit anderen. Im Islam wurde von seiner Herkunft her die Aufgabe gesehen, den Menschen zu bilden eine verbindende Identität auf der Grundlage des von Gott gegebenen Korans zu geben. Diese sollte die einzelnen Menschen, die Klans und die Völker zu einer gerechten und humanen Gemeinschaft zusammenschließen. Viele Muslime sagen, dass sie eine Demokratie und einen Rechtsstaat wollen. Andere möchten gegen die Übermacht der westlich geprägten Staatengemeinschaft einen Verbund von islamisch bestimmten Staaten stellen. (Alle Versuche, einen solchen Verbund zu schaffen, sind allerdings in der Vergangenheit gescheitert. Muslime akzeptieren die Menschenrechte. Allerdings in den vier offiziellen Erklärungen zu den Menschenrechten gibt es dabei einen entscheidenden Vorbehalt: Soweit sie den im Koran und in den Überlieferungen von Mohammed gesetzten Gesetzen nicht widersprechen, der Scharia[10]. (Näheres dazu Prof. Sankühler[11]) 4. Fundamentalismus[12]
5. Scharia[13] und Djihad[14]
6. Frauen im Islam[15]
Die Tora entstand seit der Staatsbildung in Israel und lag schon in vorexilischer Zeit in Teilen als schriftliches Gesetzbuch und Grundlage des Jerusalemer Tempelkults vor. Sie wurde bis 250 v. Chr. endgültig fertiggestellt und dann ins Griechische übersetzt und bildete so die Grundlage für die Septuaginta. Seit etwa 400 v. Chr. wird die Tora in fünf Bücher eingeteilt. Dies hing mit theologischen Gründen und dem Umfang von zusammengerollten Pergamentschriften zusammen. Darum wird die Tora auf Hebräisch Chumasch [חומש] („die Fünf“) und auf Griechisch auch Pentateuch („Fünf-Schriftrollen-Behälter“) genannt. Die Schriftbücher der Propheten und das Zwölfprophetenbuch lagen großenteils bis 200 v. Chr. vor. Im um 190 v. Chr entstandenen Buch Sirach wird erstmals eine dreiteilige Sammlung heiliger Schriften vorausgesetzt. Damals war nur noch der dritte Teil unabgeschlossen. Umfang und Einteilung des Tanach wurden im Judentum gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. endgültig festgelegt. Die Abfolge der Bücher im Propheten- und Schriftenteil und die Aufnahme und Zuordnung weiterer Bücher zum Schriftenteil blieb bis etwa 200 umstritten. Als eins der letzten Bücher wurde das um 165 v. Chr. entstandene Buch Daniel aufgenommen, aber den Schriften, nicht den Propheten zugeordnet. [2] Die Bücher des AT werden in ihrem gesamten Textbestand übernommen, aber auf eine andere Art in Bücher und in drei Hauptteile eingeteilt: Der erste Teil umfasst die „Geschichtsbücher“ (1. Mose bis Buch Esther), der zweite Teil „Dichtung“ bzw. „Weisheit“ (Hiob, Psalmen, Sprüche Salomos, Prediger, Hoheslied) und der dritte Teil umfasst die „Propheten“. Alle Bücher des Tanach und zusätzlich einige aus seiner um 250 v. Chr. begonnenen griechischen Übersetzung, der Septuaginta, wurden vom Christentum als gültiges Wort Gottes übernommen, bis 400 n. Chr. als Altes Testament kanonisiert und dem Neuen Testament vorangestellt.[3] Zuordnung und Reihenfolge der übernommenen Schriften unterscheiden sich je nach christlicher Konfession. Das evangelische AT enthält ausschließlich die Schriften des Tanach. Die Schriftpropheten wurden von den Geschichtsbüchern unterschieden und ans Ende gerückt. Darin zeigt sich bereits, dass Christen die jüdische Geschichte eher als abgeschlossene Vergangenheit sahen und die prophetischen Zukunftsverheißungen auf Jesus Christus bezogen, während für Juden die ganze fortlaufende Geschichte Israels eine prophetische Dimension behielt: Geschichtserinnerung war für sie zugleich aktuelle Zukunftsverheißung. Die römisch-katholische Kirche zählt zu den Geschichtsbüchern noch die Bücher Tobit und Judit, die nicht Teil des Tanach sind. [3] Wahrscheinlich wurde einiges in den jüdischen und christlichen Kreisen, mit denen Mohammed zu tun gehabt hat, anders erzählt, als wir es aus unserer Bibel kennen. Die Christen in den arabischen Gebieten befanden sich außerhalb des römischen Reiches und damit auch außerhalb des Einflussgebietes der west- und der oströmischen Kirche. Hans Küng weist in seinem Islambuch darauf hin, dass sich hier wohl das ursprüngliche Judenchristentum hat halten können, für das Jesus zwar der Messias war und ein Prophet Israels, aber sie schrieben ihm keine Göttlichkeit zu und verstanden Gott auch nicht als Dreieinigkeit. [4] Brief der 138 muslimischen Gelehrten vom 13.10.2007 als Reaktion auf die Rede von Papst Benedikt XVI. am 12.12.2006 [5] Das herausragendste Kennzeichen schiitischer Lehre ist der Glaube an den Imam. Er ist der oberste Führer der Gemeinde, ein von Gott auserwählter Leiter, eine Art Vertreter des Propheten Muhammad, von dem er blutsmäßig abstammen muß. Er interpretiert die Offenbarung des Korans, vor allen Dingen dessen verborgenen Sinn, den die Gläubigen ohne Leitung nicht verstehen können. Er wird zu einer Art Mittler zwischen Gott und der Gemeinde, er ist in seinen Lehrentscheidungen unfehlbar und sündlos (arab. a’sum) und besitzt übernatürliches Wissen. Die Aussprüche der Imame besitzen für Schiiten dieselbe Lehrautorität wie der Koran - Sunniten kennen keine solche unfehlbare Lehrinstitution wie den Imam. Allerdings hat sich die Schia über die Frage, wer jeweils als der unfehlbare Imam der schiitischen Gemeinschaft betrachtet werden muß, in mehrere Untergruppierungen gespalten, die nach der Zahl der von ihnen anerkannten Imame z. B. Vierer-, Fünfer-, Siebener- oder Zwölferschiiten heißen. [6] (Apostolisches, Athanasisches und Nicänisches Glaubensbekenntis, Kleiner und Großer Katechismus Luthers, Schmalkaldische Artikel, Augsburger Bekenntnis, Konkordienformel, Leuenberge Konkordie) Als der Prophet Mohammed im Jahr 632 für immer die Augen schloss, hinterließ er bereits ein geeinigtes Reich auf der arabischen Halbinsel. Seine Nachfolger, die Kalifen (von “khalifa”, Stellvertreter Gottes) eroberten nach und nach eines der größten Reiche, das die Welt bis dahin gesehen hatte. Die neue Religion brachte etwas für damalige Zeiten Unerhörtes mit: die Gleichberechtigung aller Gläubigen. Weggewischt waren Standesdünkel und Aristokratie. Ein einfacher Sklave konnte es bis in die höchsten Staatsämter bringen. Was Mohammed und seine Nachfolger schufen, war ein einzigartiges Gefühl von Stammeszugehörigkeit, ein Gemeinwesen Gleicher – sofern sie der “einzig wahren” Religion angehörten. In Scharen bekehrten sich viele östliche Christen, Juden und persische Zoroastrier zum Islam. Als ernst zu nehmende Gegner standen den Arabern nur das Byzantinische Reich und das der Perser gegenüber. Doch beide Systeme wackelten zu jener Zeit bedenklich, vielerorts empfanden die Vasallenstaaten deren Herrschaft als bedrückend. Was die Römer nie geschafft hatten, gelang den Muslimen: Sie überrannten Persien. Und Byzanz musste sich immer weiter zurückziehen. Nordafrika und Palästina gehörte dem Islam. [8] Zur Zeit Jesu war der Gedanke an ein Leben nach dem Tod zwischen Sadduzäern und Pharisäern umstritten. Jesus, seine Anhänger und die ersten Gemeinden sind davon ausgegangen, dass das Reich Gottes unmittelbar bevorstand. Unter dieser unmittelbaren Erwartung hat Jesus den Werten seiner Gesellschaft andere gegenüberstellen können, in einer großen Freiheit schon jetzt im Geist des Reiches Gottes leben können. Das Reich Gottes war schon da und doch noch nicht erfüllt. Das rechte Handeln geschieht auf Grund der erfahrenen Liebe und einer spontanen Barmherzigkeit, nicht um gute Werke für das Gericht zu sammeln. Der Gerichtsgedanke macht andererseits aber deutlich, dass man jetzt und hier auch die Liebe leben muss und es auch ein Zu-spät gibt. In der Botschaft von der Auferstehung von den Toten geht es zunächst nicht unmittelbar um die allgemeine Auferstehungshoffnung, Jesus wird aber dann als der Vorläufer gesehen, der auch die, die an ihn glauben, durch den Tod hindurch mitnimmt. Im Johannesevangelium findet sich dagegen eine präsentische Eschatologie: Im Glauben an Jesus ist das volle, ewige Leben schon da. In der Kirchengeschichte haben die Angst vor der Hölle und die Hoffnung auf ein ewiges Leben im Himmel eine große Rolle gespielt. Luther hat zwar die Gnade wieder in den Mittelpunkt gestellt, aber die Frage, ob man selber nun erlöst sei oder nicht, hat die Menschen weiter unter Druck gesetzt. Im Marxismus aber auch in Hoffnungen auf eine durch Fortschritt und Wachstum immer bessere Welt wird die Jenseitshoffnung auf das Diesseits Heute wird oft mit großer Selbstverständlichkeit nur noch vom Leben nach dem Tod, selbstverständlich im Himmel geredet, ohne dass das mit dem Leben noch existentiell verbunden ist. Dagegen taucht die Frage auf, ob wir nicht in viel größerem Maße über unsere Lebenszeit hinaus Verantwortung übernehmen müssen. [9] In Sure 4 zum Beispiel kommt der Koran auf die Kreuzigung Jesu zu sprechen. Er zitiert in Vers 157 Gegner Jesu, die behaupten, Jesus getötet zu haben, und hält entschieden dagegen: »Sie haben ihn aber nicht getötet und gekreuzigt ..., sondern Gott hat ihn zu sich erhoben.« [10] Weg zur Freiheit und Demokratie - Der Aufbruch des Islam , Professor Hans Jörg Sandkühler *, Sendung: Sonntag, 1. Juli 2012, 8.30 Uhr, SWR 2: Nicht weniger nachdrücklich ist seine Kritik am Islamismus und an den vier islamischen und arabischen Menschenrechtserklärungen, die alle Rechte unter den Vorbehalt der Shari„a stellen. Ihrem Anspruch nach stützen sich diese Erklärungen auf das islamische Recht. Tatsächlich aber greifen sie nur auf das zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert entwickelte klassische sunnitische Recht zurück. Von neueren Reformdiskursen zeigen sie sich unbeeindruckt. Sie widersprechen offen der Universalität der Menschenrechte. Kritik an ihnen ist notwendig, doch es sind einige Aspekte zu berücksichtigen, soll sich die Kritik nicht pauschal gegen den Islam richten: Die vier Erklärungen gründen in konservativen Interpretationen des Islam und der Shari‟a und dienen den Interessen autoritärer Staaten. Es handelt sich nicht um Erklärungen von Rechten, sondern von Pflichten gemäß Gottesrecht. Verbreitete Behauptungen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 sei eine säkulare Interpretation der jüdisch-christlichen Tradition und für Muslime nicht maßgeblich, verdrängen die Tatsache, dass an ihrer Aushandlung in den Vereinten Nationen islamische Staaten überproportional beteiligt waren, nämlich 10 von 56 Staaten. Die vier Menschenrechtserklärungen, die zwischen 1981 und 2004 von islamischen und arabischen Staaten verabschiedet wurden, sind kein Ausdruck des Islam als Religion. In ihnen spiegelt sich ein politisierter Islam, der die Religion missbraucht. [11] Sandkühler: „So paradox dies auch erscheinen mag, wird der gewöhnliche Islam […], der Islam des Gewissens, zu Recht immer als Anregung zu Frieden und Brüderlichkeit wahrgenommen, als religiöse Einstellung der Unterwerfung unter Gott, aber auch als Unterwerfung unter die politische Autorität des Landes. Der gewöhnliche […] Islam stellt sich als soziale, durch gegenseitige Hilfe, Hospitalität, Toleranz, Großzügigkeit, Mäßigung und Frömmigkeit gekennzeichnete Ethik dar.“ Sandkühler: „Der Islam spielt nicht erst jetzt eine Rolle im arabischen politischen Leben. Anders als im laizistischen Tunesien, einem Land mit uneingeschränkten Frauenrechten und bis zur Revolution ohne Islamismus, hat er in anderen Ländern schon lange eine politische und vor allem eine soziale Rolle übernehmen müssen. In Ägypten haben die Muslimbrüder und in Algerien haben radikale Islam-Anhänger das völlige Versagen des Rechts- und Sozialstaats kompensiert: Die Moschee war für die Armen der Ort sozialer Hilfe, und das im Staat nicht mehr zu erwartende Recht konnten die Geistlichen sprechen.“ [12] Der tunesisch-französische Schriftsteller Abdelwahab Meddeb über die Ursprünge des Fundamentalismus, den Schleier seiner Mutter und den tieferen Sinn des Satzes: Gott ist tot. „Auch Bourguiba war ein laizistischer Staatsmann. Ich erinnere mich noch an eine spektakuläre Rede: Während des Ramadan trat er im Fernsehen auf, nahm ein Glas Wasser und trank. Dieser Bruch der Fastenregel war eine sehr theatralische Geste. Danach sagte Bourguiba: "Das ist der wahre Djihad. Nicht der heilige Krieg gegen die Ungläubigen, sondern der Kampf gegen die Unterentwicklung - das ist der wahre Djihad. Wer fastet, verliert Kraft und kann nicht vernünftig arbeiten. Der ganze Staat bleibt stehen, und dies ist das wahre Übel." Er wollte provozieren und hatte doch Recht, indem er die beiden Prinzipien des Djihad ansprach. In der Überlieferung ist der gewöhnliche Krieg der kleine Djihad, während der große Djihad nichts anderes bedeutet als die Arbeit an sich selbst, der innere Kampf um Vervollkommnung.“ [13] Professor Hans Jörg Sandkühler ebd.: „Den Islam hat es nie gegeben; es gibt Sunniten – die Mehrheit – und unter ihnen verschieden Glaubensrichtungen; es gibt Schiiten, Sufis und Salafiten. Ihre Glaubensprinzipien und Rechtsvorstellungen sind nicht homogen. Die arabische Welt hat es nie gegeben; von Syrien bis Marokko leben Menschen in Gesellschaften mit höchst unterschiedlichen religiösen Traditionen und politischen Verfassungen. Die Shari„a hat es so wenig gegeben wie das islamische Recht, das oft fälschlich mit der nie verschriftlichten und für verschiedenste Interpretationen offenen Shari„a gleichgesetzt wird. Die Shari„a ist die Gesamtheit der islamischen religiösen, moralischen und rechtlichen Normen. Sie darf nicht mit dem unmenschlichen Strafrecht z.B. in Saudi-Arabien oder im Iran gleichgesetzt werden. Auch wenn sich arabisch-islamische Staaten in ihrer Verfassungen auf die Shari„a berufen, steht nicht fest, welche Bedeutung sie ihr zuschreiben und ob sie damit überhaupt strafrechtliche Vorschriften verbinden. Dies ist die eine Seite der Medaille. Doch man kann die Augen nicht vor Tendenzen verschließen, die zumindest mittelbar mit dem Islam verbunden sind: vor der im Namen der umma, der islamischen Gemeinschaft, erzwungenen Re-Islamisierung des Rechts, vor der Missachtung der Rechte der Frauen, vor Todesurteilen bei Abfall vom Glauben und vor der Zunahme von Bewegungen, die zu Gewalt greifen, sobald sie göttliches Recht verletzt glauben. Aber nicht weniger irreführend wäre die Behauptung, dies alles sei eben der Islam. Innerhalb der heutigen islamischen Kultur gibt es unüberhörbar Selbstkritik. „Krise des Islam“ ist ein bei Intellektuellen gängiges Stichwort. Der tunesische Psychoanalytiker Fethi Benslama fragt – so wörtlich – „nach der Verletzung, die im Feld des Islam einen derart verzweifelten Willen zu Zerstörung und Selbstzerstörung freigesetzt hat“. Der Ruf nach Erneuerung erinnert uns Europäer zugleich an die große Zeit der islamischen Kultur zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert, eine Zeit der Aufklärung und der Blüte von Philosophie, Wissenschaft, Medizin und Dichtung. Zwischen Bagdad und dem arabischen Spanien gab es eine hochentwickelte Kultur. Für sie stehen Gelehrte wie al-Farabi, Ibn Sinna oder Ibn Rushd. Nach dem Ende der arabischen Besetzung Siziliens im Jahre 1085 flossen viele von Arabern übersetzte und kommentierte Werke der griechischen Antike in die europäische Kultur ein.“ [14] Sie sagen in Ihrem Buch: "Der Islam ist krank." Wer ist für Sie ein Fundamentalist? [15] Ebd.: Niemand käme heute auf die Idee, den Islam als frauenfreundliche oder sinnliche Religion zu preisen. |